EU-Russland-Sanktionen: Vom 14. zum 18. Sanktionspaket
Dynamik erkennen – Resilienz schaffen: Was Unternehmen jetzt wissen und tun müssen

Rechtsanwalt Head of Corporate & Compliance Schiedsrichter (DIS, ICC)
18. Juni 2025
aktualisiert am
4. August 2025
Originalsprache
Deutsch
Seit 2022 hat die EU ihre Russland-Sanktionen Schritt für Schritt verschärft – mit wachsender Intensität und zunehmender rechtlicher Komplexität. Spätestens seit dem 14. Sanktionspaket hat eine neue Phase begonnen: Die Anforderungen an Sanktions-Compliance, Exportkontrolle, Risikomanagement und Vertragsgestaltung wurden substantiell ausgeweitet.
Die Sanktionspakete 14 bis 17 brachten nicht nur neue Listungen und Handelsbeschränkungen. Viel gravierender: Neue Compliance-Anforderungen, weitreichende Sorgfalts- und Risikomanagementvorgaben sowie extraterritoriale Wirkungen – insbesondere für exportorientierte Unternehmen mit außereuropäischen Tochtergesellschaften und Akteure mit Bezug zu CHP-Gütern (Common High Priority-Güter). Zugleich wird das Risiko von Bußgeldern und Strafverfahren wegen Sanktionsumgehung immer konkreter.
Das 18. Sanktionspaket ist bereits angekündigt. Unternehmen sind gut beraten, ihre Prozesse und Strukturen jetzt resilient und rechtssicher aufzustellen.
Nachfolgend geben wir Ihnen einen kompakten Überblick über die wichtigsten Entwicklungen – und konkrete Handlungsempfehlungen zur Sanktions-Compliance für Ihr Unternehmen:
14. Sanktionspaket: Neue Compliance-Anforderungen
Mit dem 14. Sanktionspaket wurden am 24. Juni 2024 die EU-Verordnungen VO (EU) Nr. 833/2014 ("Russland-EmbargoVO") und VO (EU) Nr. 269/2014 erneut verschärft.
Besonders relevant:
"Best Effort"-Pflicht zur Verhinderung von Sanktionsumgehungen durch Nicht-EU-Tochtergesellschaften
Nach Art. 8a Russland-EmbargoVO sind EU-Unternehmen verpflichtet, "nach besten Kräften" (best effort) sicherzustellen, dass ihre nicht in der EU ansässigen Tochtergesellschaften keine EU-Russland-Sanktionen umgehen. Dies gilt nur für Tochtergesellschaften, die sich zu mindestens 50% im Anteilsbesitz oder unter der rechtlichen/faktischen Kontrolle eines EU-Unternehmens befinden.
Die Umsetzung dieser Best Effort-Pflicht ist eine Herausforderung: Unternehmen, insbesondere solche mit Vertriebs- und Produktionsstrukturen außerhalb der EU, sollten ihre Compliance Management Systeme um entsprechende Kontrollmechanismen und Sensibilisierungsmaßnahmen erweitern, z.B. durch
Konzern-/gruppenweite (Exportkontroll-)Richtlinien,
Compliance-Klauseln in internen Richtlinien und Intercompany Agreements,
Schulungen für Tochtergesellschaften,
vertragliche Absicherung gegenüber Joint Venture-Partnern/Mitgesellschaftern,
überwachbare und prüffähige Kontrollsysteme.
Erweiterte Sorgfaltspflichten bei "Common High Priority"-Gütern ("CHP-Gütern")
Die CHP-Güter gem. Anhang XL der Russland-EmbargoVO, darunter u.a. elektronisch integrierte Schaltungen, Halbleiterbauelemente und Kugellager, stehen besonders im Fokus.
Seit 26. Dezember 2024 gelten für EU-Unternehmen, die mit solchen Gütern handeln oder mittelbar in Kontakt kommen, nach Art. 12gb der Russland-VO besondere Sorgfaltspflichten.
EU-Unternehmen müssen danach geeignete Maßnahmen ergreifen, um
die Risiken einer etwaigen Umleitung dieser Güter nach Russland oder zur Verwendung in Russland zu identifizieren, zu bewerten und dies zu dokumentieren (Risikoanalyse),
erkannte Risiken zu minimieren und effektive Risikominderungsstrategien zu etablieren (Risikomanagement).
Diese Pflichten gelten auch dann, wenn EU-Unternehmen die betroffenen Güter nicht selbst exportieren, sondern mit Lieferanten oder Tochtergesellschaften außerhalb der EU zusammenarbeiten. Auch ohne direkten Russlandbezug sind Konstellationen zu berücksichtigen, in denen diese Güter über Dritte und Umwege nach Russland gelangen könnten.
EU-Unternehmen haben sicherzustellen, dass diese Anforderungen auch durch ihre nicht in der EU ansässigen Tochterunternehmen eingehalten werden.
"No-Russia" Klausel – Klarstellung und Erweiterung
Bereits mit dem 12. Sanktionspaket wurde in Art. 12g der Russland-EmbargoVO die Pflicht für EU-Unternehmen eingeführt, in Verträge über den Vertrieb oder die Ausfuhr von CHP-Gütern eine sog. No-Russia Klausel aufzunehmen (hierzu unser Insight vom 27. April 2024). Das 14. Paket enthielt eine Klarstellung und eine Erweiterung dieser Vorgabe:
Klarstellung
Bei Verträgen über CNC-Bearbeitungszentren, -Dreh- und Fräsmaschinen sowie entsprechende Ersatzteile besteht keine Pflicht zur Aufnahme einer No-Russia Klausel (Art. 12g Absatz 2 lit. a Russland-EmbargoVO).Erweiterung
Neu: Die Pflicht zur Aufnahme einer "No-Russia" Klausel wurde auch auf geistiges Eigentum, Know-how oder Geschäftsgeheimnisse ausgeweitet, soweit sie sich auf CHP-Güter des Anhangs XL beziehen, die unmittelbar oder mittelbar für den russischen Markt vorgesehen sind:
Bei Verkauf, Lizenzierung oder Übertragung solcher Rechte an Vertragspartner aus Nicht-EU-Staaten müssen EU-Unternehmendie Nutzung dieser Rechte im Zusammenhang mit CHP-Gütern des Anhangs XL, die unmittelbar oder mittelbar für den russischen Markt vorgesehen sind, vertraglich untersagen,
ihre Vertragspartner verpflichten, entsprechende Nutzungsbeschränkungen an Unterlizenznehmer weiterzugeben und etwaige Verstöße zu melden und
vertragliche Abhilfemaßnahmen im Fall von Verstößen vorsehen.
Verbot der Nutzung des russischen Systems für Finanzmitteilungen ("SPFS")
Seit 25. Juni 2024 ist EU-Unternehmen untersagt, sich mit dem von der russischen Zentralbank betriebenen Finanztransaktionssystem SPFS oder vergleichbaren Diensten zu verbinden. Auch Transaktionen mit Nutzern solcher Systeme sind verboten. Ziel ist die Verhinderung der Umgehung von Finanzsanktionen.
15. bis 17. Sanktionspaket: Fokus auf Sanktionsumgehung, Schattenflotte und globale Liefer- und Beschaffungsnetzwerke
Die EU hat mit den Sanktionspaketen 15 bis 17 ihren Fokus deutlich auf die Bekämpfung von Sanktionsumgehungen ausgeweitet. Im Zentrum stehen Drittstaaten, globale Liefernetzwerke und die sog. "Schattenflotte" zur Umgehung der Ölpreisdeckel.
Kernmaßnahmen:
Zielgerichtete Sanktionen gegen Drittstaatenakteure
Unternehmen, Einzelpersonen und Organisationen u.a. in China, den VAE, der Türkei, Serbien, Vietnam und Hongkong wurden auf die EU-Sanktionsliste gesetzt – insbesondere bei Verbindungen zu CHP-Gütern, Dual-Use-Gütern oder Militärtechnik.Massive Erweiterung der Sanktionslisten
Über 260 weitere Schiffe der "Schattenflotte" wurden gelistet – verbunden mit Hafenzugangssperren und Dienstleistungsverboten.Neue Export- und Importverbote, unter anderem:
umfassende Einfuhrverbote für russisches Aluminium (mit Übergangsfrist und Quotenmechanismus);
Exportverbote für CNC-Software, Komponenten und Ersatzteile für CNC-Maschinen, Spezialchemikalien, chemische Vorprodukte, Glas;
Software für Öl- und Gasexploration sowie Bauleistungen für russische Energieinfrastruktur sind nun verboten;
IP-Rechte und Geschäftsgeheimnisse dürfen nicht mehr an russische Abnehmer lizenziert oder übertragen werden.
Unternehmen sollten ihre globalen Logistik- und Lieferketten prüfen sowie ihre Verfahren zur Sanktionslistenprüfung, Geschäftspartner-Due-Diligence (KYC-Prozesse) dringend überprüfen, aktualisieren und ggf. optimieren – auch jenseits der klassischen Exportkontrolle.
Ausblick: 18. Sanktionspaket – weitere Russland-Sanktionen in Vorbereitung
Die EU-Kommission hat ihre Vorschläge für das anstehende 18. EU-Sanktionspaket bereits am 10. Juni 2025 vorgestellt. Es enthält eine Vielzahl neuer Maßnahmen zur weiteren Verschärfung der Russland-Sanktionen und zur Eindämmung von Sanktionsumgehungen. Die wichtigsten Inhalte:
Energie & Ölpreisdeckel
Transaktionsverbot für die Nord Stream 1 und 2-Pipelines
Senkung des Ölpreisdeckels auf US$ 45 pro Barrel
Schattenflotte
Listung etwa 77 weiterer Schiffe der Schattenflotte sowie Dienstleistungs- und Transaktionsverbote im Zusammenhang mit diesen SchiffenBankensektor
Vollständiges Transaktionsverbot mit über 22 russischen BankenWeitere Exportrestriktionen
Sanktionierung des Russian Direct Investment Fund (RDIF) und verbundener Akteure
Neue Exportverbote für Technologie, Maschinen, Metalle, Kunststoffe und Chemikalien im Umfang von ca. EUR 2,5 Mrd.
Handlungsempfehlungen zur Sanktions-Compliance und Exportkontrolle
Compliance Management System prüfen und anpassen: Exportkontrolle, Tochtergesellschaften und Drittstaatenbeziehungen überprüfen, neu bewerten und dokumentieren.
Risikomanagement stärken: CHP-Güter identifizieren, Lieferketten überprüfen, Risikoanalysen durchführen, Risikominimierung und Monitoring strategisch verankern.
Sanktionslisten-Screening und KYC-Prozesse aktualisieren
Vertragswerke/AGB überarbeiten: No Russia-Klauseln, Schutzrechtsregelungen und Sanktionsklauseln systematisch integrieren.
Tochterunternehmen einbinden: Weisungen, Schulungen, Verantwortlichkeiten und Kontrollen implementieren.
Kommunikation & Schulung: Guidance notes und Trainings für betroffene Unternehmensbereiche (Einkauf, Vertrieb, Legal und Compliance) einführen.
Monitoring kommender Sanktionspakete: Entwicklungen verfolgen, frühzeitig Anpassungsbedarf identifizieren.
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