EU-Omnibus-Paket 2025: CSRD, CSDDD und EU-Taxonomie

Weniger Bürokratie – mehr Unsicherheit? Was international tätige Mittelständler beachten sollten.

Karl-Heinz Schwindt, Rechtsanwalt und Head of Corporate & Compliance

Rechtsanwalt Head of Corporate & Compliance Schiedsrichter (DIS, ICC)

17. September 2025

Originalsprache

Deutsch

Die EU plant mit dem sogenannten "Omnibus-I"-Paket weitreichende Änderungen ihrer zentralen Nachhaltigkeitsregulierung: etwa der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), der EU-Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, "CSDDD") und der EU-Taxonomie.


Ziel der Initiative ist eine Entlastung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) – durch reduzierte Berichtspflichten, vereinfachte Standards und gestreckte Fristen.


Doch das Paket birgt nicht nur Chancen, sondern auch rechtliche Unsicherheiten. Ein genauer Blick lohnt sich – gerade für international tätige Mittelständler.

1. Hintergrund und Zielsetzung

Mit dem "Omnibus-I"-Paket reagiert die EU auf Kritik aus der Wirtschaft: Der regulatorische Aufwand für CSRD-, CSDDD- und Taxonomie-konforme Nachhaltigkeitsberichterstattung sei zu hoch, fragmentiert und überkomplex. Ziel ist ein Bürokratieabbau um bis zu 25 %, bei KMU sogar um 35 % – ohne die strategischen Ziele der Nachhaltigkeit aufzugeben.

2. Die zentralen Elemente im Überblick

2.1 CSRD – Änderungen in der Nachhaltigkeitsberichterstattung


Zeitliche Verschiebung ("Stop-the-Clock"-Richtlinie (EU) 2025/794 vom 14. April 2025, bereits in Kraft)

Verschiebung des Beginns der Berichtspflicht für Unternehmen, die derzeit noch in den Anwendungsbereich der CSRD fallen und ab 2026 oder 2027 meldepflichtig wären, um zwei Jahre.


Im Detail:

  • Große kapitalmarktorientierte Unternehmen, die bereits nach der Non-Financial Reporting Directive (NFRD) berichtspflichtig waren ("Wave 1"): Berichtspflicht für Geschäftsjahre ab 1.1.2024 bleibt unverändert.

  • Alle anderen großen Unternehmen ("Wave 2"): Berichtspflicht erst für Geschäftsjahre ab 1.1.2027 (statt 2025).

  • Kapitalmarktorientierte KMU ("Wave 3"): Berichtspflicht erst für Geschäftsjahre ab 1.1.2028 (statt 2026).


Reduzierter Anwendungsbereich durch Anhebung der Schwellenwerte

Anwendbarkeit der CSRD künftig nur noch auf Unternehmen mit

  • mehr als 1.000 Mitarbeitenden und

  • mehr als EUR 50 Mio. Umsatz oder mehr als EUR 25 Mio. Bilanzsumme


Ziel: Bis zu 80 % der bislang betroffenen Unternehmen sollen aus dem Anwendungsbereich der CSRD herausgenommen werden.


"Quick Fix" für "Wave 1"-Unternehmen

Unternehmen, die bereits seit 2024 berichtspflichtig sind, dürfen weiterhin bis 2026 bestimmte Erleichterungen bei den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) in Anspruch nehmen.


Vereinfachung der bestehenden ESRS

Die Zahl der Datenpunkte soll um bis zu 70% reduziert werden, sektorspezifische Standards sollen entfallen und das Wesentlichkeitsprinzip gestärkt werden. Finale Entwürfe werden bis Ende Oktober 2025 erwartet.


Erleichterungen für nicht-berichtspflichtige KMU in der Lieferkette

Berichtspflichtige Unternehmen dürfen von nicht-berichtspflichtigen KMU (Unternehmen mit ≤1.000 Mitarbeitenden) künftig nur noch Informationen nach dem freiwilligen Berichtsstandard "Voluntary Sustainability Reporting Standard for non-listed SME" (VSME) anfordern.


Ziel: Die Eindämmung des sog. "Trickle-Down-Effekts", das heißt: die Weiterreichung von Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung großer berichtpflichtiger Unternehmen an ihre kleineren, nicht-berichtspflichtigen Lieferanten und Geschäftspartner einzudämmen.


2.2 CSDDD – Entlastung bei Sorgfaltspflichten in der Lieferkette


Zeitliche Verschiebung ("Stop-the-Clock"-Richtlinie (EU) 2025/794 vom 14. April 2025, bereits in Kraft)

Verschiebung des Anwendungsbeginns um ein Jahr – erstmalige Anwendung ab 26. Juli 2028.


Konzentration auf direkte (Tier-1) Geschäftspartner

Unternehmen müssen sich künftig nur noch auf direkte Geschäftspartner konzentrieren. Indirekte Partner sind nur anlassbezogen zu prüfen – etwa bei plausiblen Hinweisen auf Verstöße. Dies entspricht inhaltlich § 9 Abs. 3 LkSG.


Wegfall der Pflicht zur Vertragsbeendigung

Die Pflicht zur zwingenden Beendigung von Geschäftsbeziehungen wird gestrichen. Stattdessen reicht künftig die Aussetzung der Beziehung und der Versuch einer gemeinsamen Problemlösung.


Verlängerte Überwachungsintervalle

Die Überwachung der Angemessenheit und Wirksamkeit der Risikoanalyse-, Präventions- und Abhilfemaßnahmen hat nicht mehr jährlich zu erfolgen; künftig genügt eine Überprüfung mindestens alle fünf Jahre, ergänzt durch Ad-hoc-Prüfungen bei Anhaltspunkten für neue Risiken oder Kontrollschwächen.


Wegfall der zivilrechtlichen Haftung

Die ursprünglich vorgesehene EU-weite zivilrechtliche Haftung (Art. 29 CSDDD) entfällt. Unternehmen sollen nur noch nach nationalem Recht haften. Damit entstehen Spielräume für unterschiedliche Haftungsniveaus in den Mitgliedstaaten und neue Rechtsunsicherheiten.


2.3 EU-Taxonomie – Verschlankung und Reduktion


Verschlankter Anwendungsbereich:

Nur Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten und 450 Mio. EUR Umsatz bleiben voll berichtspflichtig; für andere Unternehmen wird die Berichterstattung freiwillig.


Reduzierte Komplexität:

Die Zahl der Datenpunkte soll um rund 70% reduziert werden. Kriterien zum Grundsatz "Do No Significant Harm" (DNSH) werden vereinfacht und horizontal für alle Sektoren anwendbar.


3. Bedeutung für deutsche Unternehmen

Entlastungspotential

  • Für viele Unternehmen besteht Aussicht auf eine deutliche Verringerung der Berichtspflichten, insbesondere Unternehmen unterhalb der neuen Schwellenwerte könnten vollständig herausfallen.

  • Auch für betroffene KMU in der Lieferkette ("Trickle-Down-Effekt") sind Erleichterungen geplant. Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung für große Unternehmen sollen kleinere Unternehmen in ihren Wertschöpfungsketten nicht belasten.


Rechtliche Unsicherheiten

  • Das EU-Gesetzgebungsverfahren ist volatil. Verhandlungen zwischen Europäischem Parlament und Rat laufen und könnten den finalen Zuschnitt des Pakets noch erheblich verändern.

  • Eine nach wie vor unübersichtlich-fragmentierte Rechtslage und mögliche Unterschiede bei der Umsetzung in den Mitgliedstaaten führen nicht zu rechtlicher Klarheit.

  • NGOs und EU-Institutionen warnen vor einer faktischen Aufweichung zentraler Nachhaltigkeitsprinzipien.

  • Gefahr langfristiger Reputations- und Investorenrisiken trotz formaler Erleichterungen.


Update zur nationalen Umsetzung


Am 3. September 2025 hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Änderung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) beschlossen. Ziel ist eine bürokratiearme Umsetzung der CSDDD in nationales Recht. Mehr dazu in Kürze in einem separaten Insight.


Handlungsempfehlungen zur Nachhaltigkeits-Compliance und ESG

  • Fristen & Schwellenwerte im Blick behalten: Prüfen Sie, ob Ihr Unternehmen unter die neuen Zeitscheinen und Schwellenwerte von CSRD/CSDDD/Taxonomie fällt.

  • Strukturierte Gap-Analyse: Welche Pflichten entfallen, welche bleiben bestehen?

  • Lieferketten-Compliance überprüfen: Prüfen Sie Ihre Prozesse zur Risikoanalye, Prävention und Abhilfe. Eine robuste Due-Diligence- und ESG-Berichtsinfrastruktur bleibt essentiell – zur Vorbereitung auf künftige Regulierungsphasen, Ad-hoc Prüfungen und Anforderungen von Kunden, Lieferanten und Banken/Investoren.

  • Vertragsgestaltung/AGB anpassen: Passen Sie Ihre Lieferantenklauseln an die neuen Vorgaben an (Aussetzung statt zwingender Beendigung).

  • Monitoring nationaler und EU-weiter Umsetzung

  • Strategische Nutzung: Positionieren und kommunizieren Sie Nachhaltigkeit und hohe Compliance Standards als Wettbewerbsvorteil – unabhängig vom regulatorischen Mindestmaß.


Fazit

Das EU-Omnibus-Paket verspricht weniger Bürokratie, insbesondere durch gestreckte Fristen, reduzierte Berichtspflichten und fokussierte Lieferkettenprüfungen – bietet letztlich aber keine Rechtssicherheit. Für deutsche Mittelständler bedeutet dies: Genau hinsehen, strategisch handeln und die verbleibenden Spielräume gezielt nutzen.


Nachhaltigkeit, ESG-Berichtspflichten und strategische Compliance bleiben ein zentraler Wettbewerbsfaktor – auch unter einem reformierten EU-Nachhaltigkeitsrecht.

Haben Sie Fragen zu diesem Thema oder benötigen Sie Unterstützung bei der Umsetzung?
Wir sind auf Internationales Wirtschaftsrecht, Gesellschaftsrecht, Compliance und Contract Management spezialisiert.
Jetzt unverbindliches Erstgespräch vereinbaren!

INN.LAW
Insights & Updates

Klartext im Wirtschaftsrecht –
verständlich, praxisnah, umsetzbar.

Wir verwenden Ihre E-Mail-Adresse ausschließlich für den Versand unseres Newsletters. Eine Abmeldung ist jederzeit möglich. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen.

INN.LAW
Insights & Updates

Klartext im Wirtschaftsrecht –
verständlich, praxisnah, umsetzbar.

Wir verwenden Ihre E-Mail-Adresse ausschließlich für den Versand unseres Newsletters. Eine Abmeldung ist jederzeit möglich. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen.

Klartext im Wirtschaftsrecht –
verständlich, praxisnah, umsetzbar.

Klartext im Wirtschaftsrecht –
verständlich, praxisnah, umsetzbar.

Wir verwenden Ihre E-Mail-Adresse ausschließlich für den Versand unseres Newsletters. Eine Abmeldung ist jederzeit möglich. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen.