UK-Compliance 2025: "Failure to Prevent Fraud" – Neue Anforderungen an deutsche Unternehmen

Was international tätige Unternehmen mit UK-Bezug jetzt wissen müssen

Skyline der Londoner City bei Sonnenuntergang mit modernen Bürogebäuden – Symbol für UK-Wirtschaftsrecht, Compliance und Finanzstandort
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Karl-Heinz Schwindt, Rechtsanwalt und Head of Corporate & Compliance

Rechtsanwalt Head of Corporate & Compliance Schiedsrichter (DIS, ICC)

19. August 2025

Originalsprache

Deutsch

Ende 2023 hat das Vereinigte Königreich mit dem "Economic Crime and Corporate Transparency Act 2023" (ECCTA) ein umfassendes Reformpaket zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität und zur Stärkung unternehmerischer Transparenz verabschiedet. Ziel dieses Gesetzes ist eine effektivere Bekämpfung von betrügerischen Handlungen und betrugsähnlichen Delikten, die aus dem oder im Unternehmensumfeld begangen werden, die Stärkung von Compliance-Strukturen und eine Reform des Unternehmensregisters (Companies House).

Besonders relevant für deutsche Unternehmen: Am 1. September 2025 tritt in UK ein neuer Straftatbestand für Unternehmen in Kraft – mit erheblichem Handlungsbedarf für deutsche Unternehmen mit Tochtergesellschaften, Joint Ventures oder Geschäftsbeziehungen in oder nach UK.

  1. Haftungsverschärfung: "Failure to Prevent Fraud"

Ab 1. September 2025 greift gemäß ECCTA ein neuer Straftatbestand für Unternehmen:

"Failure to Prevent Fraud" – unterlassene Betrugsprävention durch Unternehmen.

Betroffen sind große Kapital- und Personengesellschaften, die in UK oder mit UK-Bezug wirtschaftlich tätig sind. Hierfür genügen bereits Kunden- bzw. Geschäftsbeziehungen in oder nach UK.

Eine formale oder physische Präsenz in UK (z.B. Sitz, Tochtergesellschaft oder Niederlassung) ist nicht erforderlich.

  • Die strafrechtliche Haftung des Unternehmens ist verschuldensunabhängig:
    Es genügt, dass eine mit dem Unternehmen verbundene Person (z.B. Mitarbeitender, Vertreter, Unterauftragnehmer, Vertriebspartner) bestimmte Betrugs- oder auch betrugsähnliche Delikte begeht (z.B. Untreue, Unterschlagung), um dieses Unternehmen oder ein verbundenes Unternehmen zu begünstigen.

  • Das Unternehmen haftet, wenn es über keine angemessenen Verfahren bzw. Maßnahmen zur Betrugsprävention verfügt.

  • Mögliche Strafe: Unbegrenzte Geldstrafe, Abschöpfung von Erträgen aus betroffenen Transaktionen, erhebliche Reputationsschäden.

  • Einzige Verteidigung: "Reasonable Procedures Defence" – Das Unternehmen muss nachweisen können, über angemessene Präventionsmaßnahmen zu verfügen.

Anwendungsbereich unabhängig vom Sitz eines Unternehmens

Der Straftatbestand gilt für Unternehmen, die mindestens zwei der folgenden drei Schwellenwerte überschreiten:

  • Jahresumsatz von mehr als GBP 36 Mio.,

  • Bilanzsumme über GBP 18 Mio.,

  • mehr als 250 Mitarbeitende.

Diese Schwellenwerte sind stets konzernweit (auf Gruppenebene) zu prüfen und gelten unabhängig vom Sitz des jeweiligen Unternehmens oder der Unternehmensgruppe. Auch kleine Unternehmen können unter das Gesetz fallen, sofern die zugehörige Unternehmensgruppe die Kriterien erfüllt.

Relevanz für deutsche Unternehmen oberhalb der Schwellenwerte

Der Straftatbestand entfaltet extraterritoriale Wirkung, das heißt:

Auch in Deutschland ansässige Unternehmen, auch wenn sie keine Tochtergesellschaft, Niederlassung oder sonstige formale Präsenz in UK haben, können betroffen sein. Ebenso können auch Tathandlungen, die außerhalb UK begangen werden, erfasst werden.

Erforderlich ist lediglich ein ausreichender UK-Bezug, z.B.

  • Geschäfts- bzw. Handelsbeziehungen in bzw. nach UK, z. B. über Lizenzpartner, Vertriebspartner oder Importeure, oder

  • Joint Ventures/Kooperationen mit Unternehmen in UK, oder

  • gesellschaftsrechtliche Beteiligungen in UK, und

  • Handlungen gegenüber UK-Kunden oder mit Bezug zu Vermögenswerten in UK.

Relevanz für deutsche Unternehmen unterhalb der Schwellenwerte

Auch wenn die Schwellenwerte nicht überschritten werden, kann der Straftatbestand für Unternehmen faktisch Bedeutung entfalten:

  • Vertragliche Anforderungen von großen Geschäftspartnern
    Bei der Zusammenarbeit mit größeren Unternehmen, in der Lieferkette, als JV-Partner oder Lieferant in Konzernstrukturen mit UK-Bezug könnten "Fraud Prevention"-Klauseln von diesen als vertragliche Pflicht auferlegt oder weitergereicht werden.

  • Erwartungshaltung von Banken, Investoren und Aufsichtsbehörden

  • Orientierung an internationalen Compliance-Benchmarks – etwa bei Verhandlungen, Compliance-Klauseln oder der Risikobewertung durch Geschäftspartner.

Fazit: Auch deutsche Unternehmen ohne formale Präsenz in UK, aber mit relevanten UK-Geschäftskontakten, sollten präventiv handeln – und z. B. Vertriebspartner-Compliance, Schulungen und Vertragsgestaltung überprüfen.

  1. Ausweitung der Unternehmenshaftung: "Senior Manager Test"

Bereits in Kraft ist die grundlegende Reform des britischen Modells der Zurechnung von Straftaten innerhalb von Unternehmen (seit Dezember 2023):

Nicht mehr nur das Handeln oder Unterlassen von Vorständen oder Geschäftsführern – sondern auch das von leitenden Angestellten unterhalb der Geschäftsführungsebene ("Senior Manager"), z.B. Bereichsleiter mit Budget- oder Personalverantwortung, können nun dem Unternehmen zugerechnet werden.

Folge: Ein Unternehmen kann danach strafrechtlich haften, wenn ein solcher "Senior Manager" im Rahmen seiner Aufgaben eine Straftat begeht – oder sie duldet, unterstützt oder veranlasst.

Fazit: Dies erhöht die Bedeutung wirksamer Compliance-Strukturen auch auf mittlerer Führungsebene – gerade bei Unternehmensgruppen mit grenzüberschreitender Führungsverantwortung.

  1. Transparenzpflichten & Companies House

Die Rolle des Companies House, des britischen Handelsregisters, wird deutlich gestärkt.

Die Reformen betreffen u.a.:

  • Identitätsprüfungen für Geschäftsführer und wirtschaftlich Berechtigte von UK-Gesellschaften,

  • zusätzliche Meldepflichten für bestimmte Geschäftsmodelle,

  • schärfere Strafvorschriften bei Verstößen.

Diese Anforderungen gelten bereits teilweise und sollen bis spätestens 2026 vollständig umgesetzt werden.

Auch deutsche Unternehmen mit Immobilieneigentum oder Tochtergesellschaften in UK müssen sich auf strengere Offenlegungspflichten einstellen.

Handlungsempfehlungen zur UK-Compliance

Risikoanalyse & Bewertung vornehmen: Prüfen, ob die Schwellenwerte auf Gruppenebene erfüllt sind; potentielle Risikofelder mit UK-Bezug identifizieren, bewerten und dokumentieren.

Compliance Management System prüfen und anpassen: bestehende Betrugspräventionsmaßnahmen prüfen und ggf. optimieren.

Policies & Prozesse anpassen: Anti-Fraud-Policies, Due-Diligence-Prozesse, interne Kontrollmechanismen anpassen oder implementieren

Schulung & Awareness: Zielgruppenspezifische Trainings und Guidance Notes für Führungskräfte ("Senior Manager") und Mitarbeitende mit UK-Bezug einführen.

Vertragswerke/Compliance-Klauseln überprüfen und ergänzen: "Fraud Prevention"-Klauseln systematisch integrieren.

Dokumentation: Sorgfältige und nachvollziehbare Aufzeichnung aller implementierten Maßnahmen als Verteidigungsnachweis.

Monitoring der weiteren Umsetzung des ECCTA: Entwicklungen insbesondere zu Offenlegungspflichten und möglichen weiteren Pflichten verfolgen.

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