EU-Russland-Sanktionen: Das 19. Sanktionspaket
LNG-Importverbot und härteres Vorgehen gegen Schattenflotte
6. November 2025
Am 24. Oktober 2025 ist das 19. Sanktionspaket gegen Russland in Kraft getreten. Die EU setzt damit neue Maßstäbe – insbesondere im Energiehandel, bei Finanztransaktionen und im Kampf gegen Umgehungsstrukturen.
Mit einem vollständigen LNG-Importverbot ab 2027 und der Listung von nunmehr insgesamt 557 Schiffen der Schattenflotte werden die Sanktionen auf ein neues Niveau gehoben. Für EU-Unternehmen ergeben sich daraus erhebliche Compliance-Herausforderungen – aber auch strategische Chancen für die Neuausrichtung ihrer Geschäftsmodelle.
Die wichtigsten Maßnahmen des 19. Sanktionspakets:
1. Energiesektor: Vollständige Abkopplung von russischem LNG
LNG-Importverbot mit gestaffelter Umsetzung
Die EU führt ein vollständiges Verbot der Einfuhr von russischem Flüssigerdgas (LNG) ein:
Ab 1. Januar 2027: Verbot für langfristige Verträge
Innerhalb von 6 Monaten nach Inkrafttreten: Verbot für kurzfristige Verträge
Unternehmen mit bestehenden LNG-Bezugsverträgen müssen jetzt alternative Beschaffungsstrategien entwickeln und ihre Energieversorgung diversifizieren.
Transaktionsverbot für Rosneft und Gazprom Neft
Das bereits bestehende Transaktionsverbot für die Energieriesen Rosneft und Gazprom Neft wurde erheblich verschärft:
Aufhebung der bisherigen Ausnahme für Öl- und Gaseinfuhren in die EU.
Ausnahmen gelten nur noch für:
Öleinfuhren aus Drittländern (z.B. Kasachstan).
Beförderung von Öl unter Einhaltung der Ölpreisobergrenze.
Sanktionen gegen chinesische Energieakteure
Erstmals werden gezielt chinesische Unternehmen sanktioniert:
Zwei Raffinerien und ein Erdölhändler als bedeutende Käufer russischen Rohöls.
Signal an Drittstaaten: Die EU erweitert den Sanktionsradius konsequent.
LPG-Variante verboten
Eine bestimmte Variante von Flüssiggas (LPG) wird mit einem Einfuhrverbot belegt, um die Umgehung bestehender LPG-Beschränkungen zu unterbinden.
2. Schattenflotte: Weiterer Schlag gegen Umgehungsstrukturen
Neue Gesamtzahl von 557 gelisteten Schiffen
Mit der Aufnahme von weiteren 117 Schiffen steigt die Gesamtzahl der gelisteten Schiffe der Schattenflotte auf 557:
Hafenzugangsverbote in der gesamten EU.
Umfassende Dienstleistungsverbote.
Druck auf Flaggenstaaten zur Ausflaggung.
Sanktionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette
Die EU sanktioniert gezielt Unterstützer der Schattenflotte:
LITASCO Middle East DMCC (VAE) – eine in Dubai ansässige Handelstochter des russischen Ölkonzerns Lukoil.
Seeregister, die falsche Flaggen bereitstellen.
Zwei Ölhandelsunternehmen in Hongkong und den VAE.
3. Finanzsektor: Kryptowährungen im Fokus
Erstmals Kryptowährungssanktionen
Das 19. Sanktionspaket enthält erstmals Maßnahmen zur Bekämpfung der Sanktionsumgehung im digitalen Finanzbereich:
Verbot des an den Rubel gekoppelten Stablecoins "A7A5".
Sanktionierung des "A7A5"-Emittenten und verbundener Handelsplattformen.
Listung einer Kryptowährungsbörse in Paraguay.
Erweiterte Bankensanktionen
Transaktionsverbot für fünf weitere russische Banken und für fünf Banken aus Ländern in Zentralasien.
Vier neue Finanzinstitute in Belarus und Kasachstan wegen Nutzung des russischen Finanztransaktionssystems SPFS gelistet.
Verbote im Zahlungsverkehr
Umfassendes Verbot des russischen Zahlungskartensystems Mir.
Verbot des Systems für schnelle Zahlungen (SBP).
Untersagung von Krypto-Dienstleistungen zur Entwicklung russischer Finanzinfrastruktur.
4. Handelsbeschränkungen: Neue Ausfuhrverbote und -beschränkungen
Das Sanktionspaket erweitert die Exportrestriktionen erheblich:
Neue Ausfuhrbeschränkungen für weitere Güter mit doppeltem Verwendungszweck und fortschrittliche Technologien (z. B. Elektronische Bauteile und Sensoren, optische Komponenten, Mess- und Prüfgeräte für mechanische Eigenschaften Tantal, Chromoxide, Bor, Molybdän-Legierungen).
Neue Ausfuhrverbote für Industriegüter (z. B. Salze, Erze, Kautschuk-Erzeugnisse, Baumaterialien, wie Mauerziegel, Dachziegel, keramische Waren).
5. Listung weiterer Umgehungsakteure
45 weitere Organisationen wurden gelistet, die den militärisch-industriellen Komplex unterstützen oder an der Umgehung von Sanktionen beteiligt sind:
28 Unternehmen in Russland,
17 in Drittländern (12 in China/Hongkong, 3 in Indien, 2 in Thailand).
6. Sonstige Maßnahmen
Sonderwirtschaftszonen (SWZ) im Visier
Die EU verbietet den Abschluss neuer Verträge mit Einrichtungen in bestimmten russischen Sonderwirtschaftszonen. Für Alabuga und Technopolis Moscow gilt das Verbot auch für Bestandsverträge.
Erweiterte Dienstleistungsverbote
Verbot fortgeschrittener digitaler Dienstleistungen.
Beschränkungen für weltraumgestützte Dienste und KI-Dienstleistungen.
Alle nicht verbotenen Dienstleistungen für die russische Regierung benötigen künftig eine Genehmigung.
Was bedeutet das 19. Sanktionspaket für Ihr Unternehmen?
Die neuen Sanktionen erfordern unmittelbares Handeln in mehreren Bereichen:
Sofortmaßnahmen für betroffene Unternehmen:
Energieversorgung strategisch planen:
LNG-Lieferverträge prüfen und Ausstiegsstrategien entwickeln.
Übergangsfristen beachten: Langfristige Verträge (>1 Jahr) können noch bis 1. Januar 2027 fortgeführt werden, kurzfristige Verträge bis 6 Monate nach Inkrafttreten des Importverbots (bis ca. April 2026).
Alternative Beschaffungsquellen identifizieren und Verhandlungen rechtzeitig starten.
Lieferketten durchleuchten: Verbindungen zur Schattenflotte und gelisteten Akteuren identifizieren.
Finanzströme absichern: Transaktionen, Zahlungssysteme und Bankbeziehungen auf Sanktionskonformität prüfen.
SWZ-Engagements beenden, insbesondere Verträge mit Einrichtungen in Alabuga und Technopolis Moscow.
Strategische Handlungsempfehlungen zur Sanktions-Compliance:
Compliance Management System erweitern
Erweiterte Due-Diligence für Energie- und Finanzgeschäfte.
Dokumentation aller Prüfprozesse verstärken.
Sanktionslisten-Screening intensivieren
Erweiterte Prüfung chinesischer und zentralasiatischer Partner.
Digitale Zahlungsdienstleister einbeziehen.
Vertragsmanagement optimieren
LNG-Verträge auf Ausstiegsklauseln prüfen.
Ggf. Force-Majeure-Klauseln für Energielieferungen aktualisieren.
Fazit: Proaktives Handeln ist geboten
Das 19. Sanktionspaket zeigt: Die EU setzt nicht mehr nur auf klassische Handelsbeschränkungen, sondern greift auch in die digitale Finanzarchitektur und Energieversorgung ein. Und: Unternehmen müssen sich auf eine dauerhafte Verschärfung der Sanktionslandschaft einstellen – die neue Normalität der EU-Sanktionen.
Unternehmen sollten ihre Compliance-Strukturen daher nicht mehr als reaktives Instrument, sondern als strategischen Wettbewerbsvorteil begreifen. Wer jetzt in robuste Sanktions-Compliance investiert, minimiert nicht nur Risiken, sondern positioniert sich auch für die Post-Sanktions-Ära.
Mehr zur EU-Sanktions-Compliance finden Sie in unseren Insights vom 18. Juni (Russland-Sanktionen 2025: Neue Pflichten – Best-Effort, CHP-Güter & No-Russia-Klausel) und 5. August 2025 (Russland-Sanktionen 2025: 18. Sanktionspaket – Update Juli 2025).
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